"Vielleicht geht es den Leuten einfach zu gut"

Christian Theußl, ehemals Vizebürgermeister und langjähriger Gemeinderat, feiert heuer im November seinen 100. Geburtstag. Er ist damit der älteste Gemeindebürger von Wagna. In unserem aktuellen Interview erzählt er uns, wie er die Zeit der Krise erlebt, wie er seinen Alltag gestaltet und, dass er seinen 100er richtig groß feiern möchte.

Sie sind mit 99 Jahren der älteste Bürger der Marktgemeinde Wagna. Wie halten Sie sich fit?

Christian Theußl: „Das sag ich keinem. Warum nicht? Weil ich es selber nicht weiß, da müsste ich Sie anlügen. Aber vielleicht etwas, das schon dazu beiträgt, ich gehe jeden Tag in der Früh mit dem Rollator meine Runde und mache noch im Bett ein paar Übungen für die Gelenke. So tu ich halt ein bisschen, ob es hilft, weiß ich nicht. Und jeden Tag in der Früh trinke ich ein Häferl Weintee, keinen Kaffee. Ich habe 20 Jahre mindestens keine Grippe oder Lungenentzündung gehabt. Früher haben wir Lindenblütentee getrunken, der hilft auch. Zumindest bild ich mir das halt ein. Und Einbildung ist auch eine Bildung (lacht). Und ich esse jeden Tag Obst und Gemüse, vor allem ess' ich gerne Weintrauben und Mandarinen. Ich schau halt, dass ich ein paar Vitamine zu mir nehme. “

 

Das ist ja schon einiges.

Theußl: „Ja und wichtig ist auch, dass der Mensch einen Glauben hat. Damit meine ich jetzt nicht unbedingt den religiösen Glauben. Wenn der Arzt sagt, dass ich gesund bin, ich mir aber einbilde, krank zu sein, bringt mir die Diagnose vom Arzt auch nichts. Wenn ich selbst dran glaube gesund zu sein, wird mir das helfen. Das ist halt meine Überzeugung. Ich versuch' immer alles mehr von der positiven Seite zu sehen. “

 

Sie leben fast Ihr ganzes Leben schon in Wagna. Was gefällt Ihnen besonders an der Gemeinde?

Theußl: „Ja, ich bin 1921 in Kaindorf geboren und 1927 nach Wagna gekommen. Seitdem lebe ich hier. Wie soll ich sagen: ich hab' hier eigentlich immer nur freundliche Gesichter erlebt.“

 

Wir müssen seit mittlerweile einem Jahr mit der Corona-Pandemie leben. Wie geht's Ihnen in dieser schwierigen Zeit?

Theußl: „Ich bin zum Glück einigermaßen gesund. Ich habe aber keine Hoffnung, dass die Gesamtsituation schnell besser wird. Wir haben noch keine so richtig wirksamen Mittel dagegen, genaues weiß man einfach noch nicht, auch nicht über die Impfung. Schlecht ist, dass jeder damit nur ein Geschäft machen will und keiner kennt sich mehr aus, welche Impfung jetzt die beste ist. Es ist auch gefährlich, weil die Leute sich nicht an die Maßnahmen halten. Warum weiß ich auch nicht. Vielleicht geht es den Leuten einfach zu gut. Ich kenne Zeiten, wo es viel schlechter war, aber die Leute waren viel zufriedener. Jetzt will jeder einfach nur seinen Willen durchsetzen. Es müssten halt alle an einem Strang ziehen.“

 

Sie sind ja schon geimpft worden. Wie war das für Sie?

Theußl: „Ja, der Bürgermeister hat mich angerufen, dass ich mich impfen lassen kann, wenn ich will. Ich hab überhaupt nichts gespürt. Aber ich bin schon froh darüber. Man sieht ja, dass die Zahlen täglich steigen, es wird immer mehr. Das ist nicht gut. Es wäre schön, wenn wieder Normalität einkehrt.“

 

Sie haben ja eine spannende Berufslaufbahn absolviert, waren SPÖ-Parteiobmann, Gemeinderat und auch lange Vizebürgermeister. Später waren Sie Obmann des Pensionistenverbands und in Vereinen immer sehr aktiv. Geht Ihnen diese Zeit ab?

Theußl: „Ja, die Zeit fehlt mir schon. Wie soll ich sagen, ich bin halt' wie ich bin. Ich hab' mich nie in den Vordergrund gedrängt, aber ich hab' immer geschaut, dass ich mit den Leuten in Kontakt trete, z.B. auf Veranstaltungen. Ich hab versucht, immer locker zu sein und bin eigentlich mit allen immer gut ausgekommen. Aber ganz ohne Anecken geht's nicht immer. Ich hab ja auch Faschingsumzüge und den Maskenball zum Beispiel organisiert. Das war immer der schönste Ball und sehr gut besucht. Das war wirklich schön. Bei einem Faschingsumzug hab' ich einmal den dritten Preis gemacht. Daran kann ich mich noch gut erinnern.  Aber heut' gibt's ja keine Umzüge mehr. Jetzt ist alles anders.“

 

Wie verbringen Sie Ihren Alltag heute? Wie beschäftigen Sie sich?

Theußl: „Jetzt sind die Tage halt ruhiger. Ich schau halt einfach einmal aus dem einen Fenster und dann wieder aus dem anderen. Und ich schau mir gern Fotos an. Da hab' ich vom Franz Trampusch, ich glaube zum 90er, ein Album mit fast 300 Fotos 'Theußl in Bildern' bekommen. Da blätter ich gern drin. Und ich habe vier Kinder, zwölf Enkel und zwölf Urenkel. Die Tochter und Schwiegertochter schauen auf mich und mit den Verwandten und einigen Leuten aus dem Pflegeheim halte ich Telefonkontakt. So hört man sich immer wieder. Auch der ehemalige Pfarrer Heindler ruft mich immer wieder an. Das freut mich sehr, dass sich da einige Leute nach wie vor immer melden. Da hört man sich halt alle paar Wochen, das ist auch wichtig.“

 

Sie werden im November 100! Wie werden Sie Ihren runden Geburtstag feiern?

Theußl: „Weiß ich nicht. Mir sind die letzten drei Geburtstage, also der 96., 97. und 98., gut in Erinnerung. Da haben wir im Pflegeheim gefeiert, in einem Saal mit Musik und da ist  auch getanzt worden. Da war ich der Hahn im Korb und der einzige Tänzer! Jetzt den 99er habe ich halt nicht mehr so feiern können. Dabei hätte ich schon einen Saal organisiert gehabt. Aber jetzt war ich halt daheim und ein paar Leute sind zum Gratulieren gekommen und haben aufgespielt. Das war auch schön. Aber ich würd mich freuen, wenn zu meinem 100er wieder alles gelockert wäre und ich groß feiern könnte. Dann aber nicht im Pflegeheim, dann soll es noch größer werden.“

 

 

Christian Theußl wurde am 16. 11. 1921 geboren.

Seit seiner frühesten Jugend war er als Land- und Bauarbeiter tätig. Bald nach Beginn des 2. Weltkrieges musste er zur Deutschen Wehrmacht. Er war an vielen Kriegsschauplätzen im Einsatz. Nach Kriegsende floh er aus der Kriegsgefangenschaft und kehre zu Fuß nach Wagna zurück. Durch seine Tätigkeit als Bauarbeiter und Maurer kam er auch beruflich nach Vorarlberg. Dort lernte er seine spätere Ehefrau kennen. Das Ehepaar Theußl hatte mehrere Kinder und baute am Riedfeldweg in Wagna ein schönes Wohnhaus. Theußl war dann viele Jahre lang bei der Firma Tagger in Graz als Maurer und Betriebsratsobmann aktiv. Er besuchte auch die Sozialakademie und hatte viele Funktionen in der Gewerkschaftsbewegung. In Wagna wurde er Anfang der 70er-Jahre auch Obmann der SPÖ Organisation. Ab dem Jahre 1966 wurde er Gemeinderat in der Marktgemeinde Wagna und war ab 1975 auch viele Jahre lang als Vizebürgermeister unter dem Bürgermeister Franz Trampusch tätig. Nach seiner Pensionierung übernahm er den Vorsitz in der Ortsgruppe des Pensionistenverbandes Wagna. Später war er dann viele Jahre lang auch der Bezirksobmann dieses Verbandes. Seine Hilfsbereitschaft und Freundschaft zu vielen Bewohnern seiner Heimatgemeinde Wagna wurden zu seinem Markenzeichen. Vom Gewerkschaftsbund, der Sozialdemokratischen Partei und der Marktgemeinde Wagna wurden ihm viele Ehrungen zuteil. Seine Hobbys waren immer das Fischen, das Tanzen und das Schwammerlsuchen. Es gab keine regionale Veranstaltung, an der Theußl nicht als einer der aktivsten Tänzer in Erscheinung trat. Auch an seinem 99. Geburtstag und den wöchentlichen Treffen im „Erzählcafe“ im Volkshilfezentrum Wagna war er der aktivste Tänzer unter allen Teilnehmern.

Möge Christian Theußl die Corona-Zeit gut überstehen und an seinem 100. Geburtstag in voller Frische ein Tänzchen wagen. Das wünschen ihm viele langjährige Freunde aus Wagna.

[ Text: Franz Trampusch ]