Neues aus der Bildungswelt: Kinder leiden leise

Besorgniserregendes bringen zwei aktuelle Studien zur Situation von Kindern und Jugendlichen in Bezug auf Schulbesuch, Lernen und Bildung zutage.

Aus der Studie „Jetzt sprichst Du“ vom Zentrum für Kognitive Neurowissenschaften der Universität Salzburg geht hervor, dass es knapp drei Viertel der 4000 befragten Kinder und Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahren deutlich schlechter geht als in der Zeit vor Corona. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Als größte Ängste formulierten die Kinder und Jugendlichen, dass es noch lange dauern wird, bis das Leben wieder so wird wie vorher (56%) bzw. dass das Leben gar nicht mehr so wird wie vorher (51%). Zwei Drittel rechnen mit einer Rückkehr zur Normalität erst 2022 oder 2023. Als besonders verbreitet und belastend zeigt sich in der Studie auch die Angst, dass nahe Angehörige an Covid-19 sterben könnten (45%).

Dass der regelmäßige Schulbesuch für Kinder und Jugendliche ein sehr wichtiger Beitrag zur Strukturierung ihres Alltags ist, macht die Studie ebenfalls eindeutig klar. „Ich vermisse die Schule, wie sie früher war“, lauten zahlreiche Kommentare. „Schule in Corona Zeiten macht aber keinen Spaß mehr. Es fühlt sich an, als dürfe man keine Freunde mehr haben“. 40% nervt das Maskentragen in der Schule.

Fast neun von zehn Kindern sind im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie körperlich deutlich weniger aktiv. Gleichzeitig verbringen drei Viertel wesentlich mehr Zeit mit Smartphone, Fernsehen, Spielkonsole oder Tablet. Einem Drittel der Befragten fehlt es sehr, in der Schule oder in Freizeiteinrichtungen uneingeschränkt Sport treiben zu können. Dies wiederum hat seine mittelfristigen Auswirkungen. Sport und Bewegung, gemeinsam mit anderen, ist ein wichtiger Punkt für die körperliche und seelische Gesundheit und Stabilität von Kindern und Jugendlichen. Dadurch wird auch psychischen Erkrankungen vorgebeugt. Leider deuten die erhobenen Zahlen darauf hin, dass u.a. Schlaf- und Essstörungen in der Corona Pandemie massiv zugenommen haben.

Dass die Corona Pandemie in vielen Fällen auch eine höchst schwierige Ausnahmesituation für ihre Eltern darstellt, ist vielen Kindern klar. „Es gibt kein anderes Thema mehr und meine Eltern haben wegen Corona viel mehr Arbeit und viel weniger Zeit für mich“, so lauten viele Kommentare. Dieser Umstand führt wiederum dazu, dass viele Eltern aufgrund Homeoffice, Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit die seelischen oder körperlichen Probleme ihrer Kinder oft erst sehr spät wahrnehmen. Ein Teufelskreis.   

Dass Distance-Learning und digitaler Unterricht über das Netz nur einen schwachen Ersatz zum Präsenzunterricht darstellen, zeigt eine Erhebung des Leverhulme Centre for Demographic Science. Die niederländische Studie zieht nach mehr als einem Jahr der Pandemie ein äußerst ernüchterndes Fazit: Der Onlineunterricht während des Lockdowns war größtenteils ineffektiv, die Schülerinnen und Schüler hätten wenig bis nichts gelernt, so die Autorinnen und Autoren. Dabei ist das niederländische Bildungssystem in jeder Hinsicht eines der besten der Welt. Besonders prekär ist die Situation von Kindern und Jugendlichen natürlich in schwierigen sozialen und ökonomischen Verhältnissen.

Wenig Erfreuliches also aus bildungswissenschaftlicher Sicht in Zeiten der Pandemie. Was kann trotzdem getan werden? Kindern und Jugendlichen mehr Aufmerksamkeit als in normalen Zeiten für ihre Sorgen und Ängste schenken. Sich mehr Zeit für´s Zuhören und miteinander reden nehmen. Und professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, wenn man spürt, einem schweren oder bedrohlichen Problem nicht gewachsen zu sein. Dann hat man schon sehr viel getan.

 

Wo es Hilfe gibt:

Kids-line: T 0800 234 123 | www.kids-line.at

Rat auf Draht: T 147

Hotline für Essstörungen: T 0800 201 120

 

Zum Autor: Dr. Joachim Gruber ist pädagogischer Leiter des Bildungshauses Retzhof und Lektor an der Karl-Franzens-Universität Graz zum Fachbereich Management in Bildungsorganisationen.