Durch Zuzug römischer Handelsleute und der stärker werdenden Abwanderung der norischen Bevölkerung aus ihrem Frauenberger Siedlungsgebiet, entstand aus diesem kleinen Dorf (lateinisch: vicus) bald eine größere Siedlung. Mit der Übernahme einer römischen Verwaltung dieses ostnorischen Gebietes, wurde mit der ersten Ortsplanung begonnen. Alle Straßen wurden schachbrettartig in Nord- bzw. Westrichtung geplant und alle künftigen Bauten in etwa gleicher Größe vorgesehen. Der südliche Teil des Ortes war überwiegend für Wohn- und Kulturanlagen vorgesehen, während der nördliche Teil verstärkt für die gewerbliche Nutzung geplant wurde. Unter römischer Vorherrschaft wurden die Holzbauten zunehmend durch Steinhäuser ersetzt. Da die Böden rund um den Ort sehr fruchtbar waren, gab es im Einzugsbereich auch große landwirtschaftliche Betriebe, sodass die Versorgung der wachsenden Bevölkerung keine Probleme ergab.
Durch die Verwaltungsänderung der Grenzen zwischen den Provinzen Pannonien und Noricum wurde Solva dann ein Verwaltungsort der oströmischen Provinz Noricum und daher auch von Kaiser Flavius Vespasianus um 70 n.Chr. zur Stadt erhoben (siehe Skizze). Viele römische Verwaltungsbeamte und Kaufleute kamen verstärkt in diese neue Stadt. Die einheimischen Bewohner wurden entweder durch Heirat oder durch Verleihung zu römischen Bürgern. Die Amtssprache war schon längst lateinisch und bald entstand auch eine starke Vermischung der norischen und römischen Trachten und Kulturen. Unter den römischen Kaisern Septimus Severus und Bassianus Carcalla erhielten alle freien männlichen Einwohner der Provinzen das römische Bürgerrecht zuerkannt.
Das rasche Wachstum der Provinzhauptstadt führte auch dazu, dass in Flavia Solva ein römisches Amphietheater gebaut wurde. Dieses war der Göttin Nemesis augustae gewidmet, also einer strafenden und rächenden Göttin. Die Archäologen mussten durch ihre Grabungen feststellen, dass viele Gebäude am östlichen Stadtrand im Laufe vieler Jahrhunderte von der Mur abgetragen wurden. Die römischen Bürger der Stadt wählten auch jedes Jahr einen Gemeinderat. An der Spitze standen jeweils zwei „Oberbürgermeister“, die auch richterliche Gewalt hatten. Aus Grabinschriften sind vier Namen dieser Bürgermeister überliefert: Claudius Secundinus, Sacretius Spectatinus, M. lucundus, Castius Avitus. Diesen Oberbürgermeister standen sogenannte aediles zur Seite, die sich um die Marktaufsicht, um Wasser- und Lebensmittelversorgung, um die Errichtung öffentlicher Bauten, sowie um die Ausrichtung der Spiele zu kümmern hatten. Aus Flavia Solva sind folgende Namen überliefert: Julius Sabinus, Firminius Castricus, Gautius Finitus, Claudius Crispinus, M. Tulius Maximus. Zwei Bürger der Stadt Flavia Solva bekleideten auch hohe Ämter im Römerreich. L.Camminus Secundinus und P.Aelius Crispinus waren Provinzstatthalter in Mauretanien.
Um 167 n.Chr. eroberten die germanischen Stämme der Markomannen und Quaden einen Teil des römischen Reiches und vernichteten auch einen Großteil der Stadt Flavia Solva. So endete die erste Blütezeit dieser alten römischen Stadt. Doch der Wiederaufbau erfolgte schon wenige Jahre später.
Von Franz Trampusch