Der Retzhof - Ein Ort der Kunst, Kultur und Kreativität

Seit 1948 ist der Retzhof ein Bildungshaus des Landes Steiermark.

Damals war die genaue Bezeichnung Volksbildungsheim für die gewerblich-kaufmännische Jugend, was den Gründungszweck konkretisierte. Es sollte ein Haus für die Jugend sein, die größtenteils unter der allumfassenden NS-Ideologie aufgewachsen war. Aus- und Weiterbildung und vor allem auch die sogenannte Allgemeinbildung wurden als probate Mittel angesehen, eine geistige re-education, also eine Art der Umerziehung – vor allem bei jungen Menschen – im Sinne der Vereinten Nationen in Gang zu setzen. Zahlreiche Bücherspenden der UN im Archiv des Retzhof zeugen bis heute von diesen Bemühungen.

Die 60er-Jahre brachten so manche Veränderung in der außerschulischen Bildungslandschaft: Die Idee und der Begriff der Erwachsenenbildung wurde aus der Taufe gehoben. Der zunehmend sich beschleunigende technische Fortschritt machte damals allen klar, dass der erworbene Wissensvorrat einer schulischen oder universitären Ausbildung nicht mehr für ein ganzes Berufsleben ausreichen würde. Die berufliche Aus- und Weiterbildung wurde auch zum wichtigen Steuerungsinstrument in der österreichischen Arbeitsmarktpolitik. Während sich die maßgeblichen Sozialpartner und Kammern in dieser Zeit dafür große Organisationen schufen (WIFI, BFI, VHS, LFI), wendeten sich die öster-reichischen Bildungshäuser vor allem der sogenannten Allgemeinbildung zu. Eine Aufteilung, die bis heute im Wesentlichen so geblieben ist.

Blickt man in die Geschichte des Retzhof zurück, so kann sich die Zahl der Veranstaltungen dazu – und vor allem die Prominenz der Vortragenden und Lehrenden – wirklich sehen lassen. Sie suchten und fanden über die Jahrzehnte hinweg den Weg nach Wagna in das Bildungshaus Retzhof. Besonders für die Bereiche Kunst, Kultur und Kreativität war der Retzhof eine der ersten Adressen in Öster-reich: Die Einträge bedeutender bildender KünstlerInnen, SchriftstellerInnen, SchauspielerInnen und KabarettistInnen, MusikerInnen, TänzerInnen, BildhauerInnen, PhilosophInnen und PolitikerInnen im Retzhofer Gästebuch zeugen bis heute von ihrem Wirken an diesem Ort. Es wäre nicht fair an dieser Stelle Namen zu nennen und diese damit vor anderen heraus zu stellen. Denn auch den weniger prominenten Namen verdankt das Haus seinen bis heute fortdauernden Ruf, ein besonders guter Ort für professionell Kunst- und Kulturschaffende zu sein, die ihr Wissen an andere weitergeben. Aber auch für ambitionierte Laien, die sich schöpferisch kreativ betätigen und weiter entwickeln wollen.

In Zeiten der scheinbar alles ersetzenden Digitalisierung – auch in der Bildungs- und Kulturarbeit – sei daran erinnert, dass es dafür nach wie vor geeignete reale Orte und Räume braucht, die diese ermöglichen. Sie sind und bleiben auch weiterhin unverzichtbar.

Das lateinische Wort sapere aude wird meist in der berühmten Interpretation des deutschen Philosophen Immanuel Kant zitiert, der es 1784 zum Leitspruch der Epoche der Aufklärung machte: Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Das passt gut für unsere Bildungsarbeit.

Für den Retzhof und seine vielfältige Kulturarbeit würde ich hinzufügen wollen: Habe Mut, Dich Deiner Sehnsucht nach dem Kreativ-Schöpferischen in Dir zu besinnen!

 

Zum Autor: Dr. Joachim Gruber ist pädagogischer Leiter des Bildungshauses Retzhof und Lektor an der Karl-Franzens-Universität Graz zum Fachbereich Management in Bildungsorganisationen.