Erinnerungen an früher: Bombardierung der Eisenbahnbrücke

Am Ostersonntag, dem 1. April 1945, wurde die Eisenbahnbrücke in Wagna, die über die Sulm führte, vom Bombengeschwader der 12. US Flotte bombardiert.

Obwohl ich damals erst knapp über vier Jahre alt war, kann ich mich noch sehr gut an dieses einschneidende Ereignis erinnern. Es war um die Mittagszeit, als genau um 12:30 Uhr das Bombardement losging und um 13:30 Uhr verstummte. Ich saß gerade auf einem Wagen, der mit Kartoffeln beladen war, die für das Auspflanzen am Feld bestimmt waren. Plötzlich konnten wir großen Lärm hören, der von Flugzeugen erzeugt wurde, die in ganz niedriger Höhe über unser Haus und über das Dorf Wagna hinwegdonnerten. In diesem Moment wussten wir natürlich nicht, was vor sich ging. Doch im nächsten Augenblick krachte es fürchterlich, da die Eisenbahnbrücke, die weniger als einen Kilometer von unserem Haus entfernt lag, bombardiert wurde. Zuerst flüchteten wir (etwa zehn Personen: meine Eltern, die restlichen Hausleute und ich) in unseren Hauskeller. Aber schon in kürzester Zeit zerborsten alle Fensterscheiben im gesamten Haus. Plötzlich hieß es für uns: Raus aus dem Keller! Im ganzen Dorf standen Militärlastwägen vom Rückzug aus der Jugoslawienfront, die mit Benzin und anderen explosiven Gegenständen beladen waren. Hätte eine Bombe im Dorf eingeschlagen, wäre es mit Sicherheit zu einer Katastrophe gekommen. Somit verließen wir schnell das Haus und das Dorf und flüchteten über die Wiese in den Wald hinter Freitag vulgo Drotnbauer. Wir suchten hinter einer großen Eiche Schutz, wie auch viele andere Dorfbewohner, die ebenfalls in den Wald geflohen waren. Vier- bis fünfhundert Meter entfernt von uns schlugen die Bomben ein. Steine und Geröll flogen durch die Luft. Es war ein fürchterlicher Lärm. Um mich zu schützen, legten sich Brandl Arnold und Freitag Erna über mich. Für uns dauerte es eine Ewigkeit, bis diese fürchterliche Stunde vorüberging. Alles war voller Rauch und Gestank machte sich breit. In dieser Stunde wurden 569 Stück 500-Kilo-Bomben von über 100 Flugzeugen Typ 119 B24 in 14 Flugstaffeln zur Zerstörung der Eisenbahnbrücke abgeworfen. Insgesamt waren es 258 Tonnen Bomben. Die Eisenbahnbrücke wurde vom damaligen Volkssturm in den letzten Kriegstagen bewacht. Ich glaube mich zu erinnern, dass es bei der Bombardierung der Brücke einen Toten gab. Bauer Spath, vulgo Gleiß, wurde schwer verletzt und suchte blutüberströmt nach Hilfe.

Trotz allem konnte die Brücke nicht vollständig zerstört werden. So kam es, dass einige Tage später um 4 Uhr erneut eine Bombe abgeworfen wurde – nur 50 Meter von unserem Haus entfernt. Der Schock war groß, doch sie landete in einem vorbeifließenden Bach und richtete keinen Schaden an. Die Wälder und Wiesen des Sulmspitzes in der Umgebung der Eisenbahnbrücke waren von unzähligen Bombentrichtern übersäht. Ich denke es war Anfang der 50er-Jahre, als die Bombentrichter auf den Wiesen mit einer großen Planierraupe beseitigt wurden. In unserem Wald sind bis heute noch fünf solcher Bombentrichter zu finden. Jetzt können sich zumindest die Frösche freuen, denn die Trichter sind wie kleine Teiche mit Wasser gefüllt.  Nach dem Krieg kaufte kein Holzhändler mehr Nutzholz aus der Umgebung der Eisenbahnbrücke, da die umherfliegenden Bombensplitter tief in die Bäume eingedrungen waren und somit die Maschinen des Sägewerks beschädigt hätten. Auch gab es Blindgänger – und wie ich mich erinnere – nicht wenige. So wurde der letzte Blindgänger während des Baus des Sulmkraftwerks gefunden und entschärft.  Die alte Eisenbahnbrücke ist nach einem amerikanischen System erbaut. Am 13.2.1948 erfolgte die Verkehrsfreigabe der neuen Eisenbahnbrücke am Sulmspitz. Sie löste das Provisorium der letzten Kriegstage ab. Aufgrund der Staatsvertragsbedingungen wurde am 1.10.1955 das zweite Gleis zwischen Graz und Leibnitz abgebaut. Im April 1967 löste die ÖBB auch den zweiten Schienenstrang zwischen Leibnitz und Spielfeld auf.

Von Josef Klapsch

 


 

Chronik der Eisenbahnbrücke

1846 wurde die Südbahn eröffnet.

1876 wurde ein zweites Gleis dazugebaut.

19. Mai 1934 Bewachung der Eisenbahnbrücke über die Sulm in Wagna durch den Gendarmerieposten Leibnitz.

2. April 1945 Ostersonntag: Bombardierung der Eisenbahnbrücke in Wagna von 12.30 bis 13.30 Uhr. Es wurden 950 Bomben von  120 viermotorigen Bombern in 14 Flugstaffeln abgeworfen.

8. Mai 1945 50 bis 70 zerschossene Dampflokomotiven stehen zwischen Leibnitz und Ehrenhausen.

12. März 1948 Verkehrsfreigabe der neuen Eisenbahnbrücke am Sulmspitz. Sie löst das Provisorium aus den letzten Kriegstagen ab.

1. Oktober 1955 Die Südbahn zwischen Graz-Puntigam und Leibnitz ist eingleisig. Die Demontage des zweiten Gleies erfolgte aufgrund von Staatsvertragsbedingungen.

April 1967 Die ÖBB lösen den zweiten Schienenstrang auch zwischen Leibnitz und Spielfeld auf.

 


 

Eisenbahnbrücken mit amerikanischer Konstruktion

Im August 1843 begannen die Bauarbeiten für die Bahntrasse Graz – Marburg.

K.k. General-Inspekteur Ghega reiste im April 1842 in die USA und studierte dort die errichteten Eisenbahnen. Sein besonderes Interesse galt dem Brückenbau. Dr. Ghega vermied eiserne Brücken und Übergänge, zu denen er anscheinend kein rechtes Vertrauen hatte. Die Herstellung aus Mauerwerk hätte einen Pfeiler in Flussmitte erfordert, der dem Hochwasser und Eisgang nicht standgehalten hätte. Die Brücke über die Sulm hatte die sogenannte amerikanische „Zündholzbrücke“ zum Vorbild. Er schrieb über den „Nord-Amerikanischen Brückenbau und die Berechnung des Trage-Vermögens der Howe´schen Brücken“. Das Werk kam Anfang des Jahres 1845 bei Kaulfuß in Wien heraus und war von größter Wichtigkeit für den Brückenbau.  Es handelt sich im Allgemeinen darum zu prüfen und zu erkennen, welches System durch Zeit- und Kostenersparnis, mit Berücksichtigung der möglichsten Haltbarkeit und Sicherheit, in den Fällen, wo große Täler und Flüsse mit großen Brücken schnell und kostengünstig zu überqueren sind, die größten Vorteile bietet. Ghega entscheidet sich unter den gegebenen Bedingungen für die Anlage hölzerner Gitterwerksbrücken, nach dem Howe´schen Hängegitterbrücken-System. Im Europa existierte 1845 noch keine Brücke nach diesem System. Die ersten Proben seiner Tauglichkeit lieferte die Wien-Triester Eisenbahn, bei deren Erbauung Ghega das Hängegitterbrücken-System in großem Maßstab angewendet hat. Dieses System hatte eine kürzere Bauzeit und sparte Kosten. Die Konstruktion der Sulmbrücke war für Dr. Ghega ein riskantes Experiment; die praktische Ausführung überwachte er mit rastloser Aufmerksamkeit. Dieses Prestigeobjekt rückte die Gemeinde Wagna einige Monate in den Fokus der Presse.

Von Friedrich Klementschitz