„Man macht den Job nur gut, wenn man mit Herzblut dabei ist“

Dieter Schmidt tritt nach mehr als acht Jahren als Hausleiter des Volkshilfe-Seniorenzentrums in Wagna seine wohlverdiente Pension an – mit Vorfreude, aber auch etwas Wehmut, wie er uns im Interview verrät.

Sie treten Ende des Jahres nach mehr als sieben Jahren als Hausleiter des Volkshilfe-Seniorenzentrums Wagna Ihre wohlverdiente Pension an. Mit welchem Gefühl?

Dieter Schmidt: „Mit einem zwiespältigen Gefühl. Ich bin froh, dass ich meine Pension antreten kann und bin auch sicher, dass das Haus gut weitergeführt wird, weil das Team funktioniert und sehr gut ist. Aber es ist auch ein bisschen Wehmut dabei. Man kann den Job nur gut machen, wenn man mit Herzblut dabei ist und wenn man irgendwo Herzblut reinsteckt, dann fehlt einem etwas, wenn man das nicht mehr machen kann. Ich bin also selbst sehr neugierig, was in der Pension auf mich zukommt.“

 

Worauf freuen Sie sich in Ihrem Ruhestand?

Schmidt: „Darauf, endlich das zu machen, wofür man bis jetzt keine Zeit gehabt hat, weil man halt Arbeit hatte. Nichts mehr rausschieben, nicht mehr abwarten, sondern Gas geben.“

 

Welche Erinnerungen an Ihre Tätigkeit hier nehmen Sie mit?

Schmidt: „Sehr, sehr viele. Wir haben 72 Bewohner im Haus, das sind 72 unterschiedliche Charaktere. Sie wechseln natürlich, weil pro Jahr 20 bis 25 Bewohner raussterben und dafür neue kommen. Da sind wirklich die unterschiedlichsten Typen, Menschen und Charaktere dabei. Es ist einfach schön, neue Leute kennenzulernen. Auch das Team ist stark angewachsen von etwa 50 Personen im Jahr 2013 auf 78, die wir heute sind. Personalaufnahmen, Personaleinschulungen und überhaupt die Betreuung des Personals sind einfach schöne Aufgaben. Es gibt natürlich auch Sager von Bewohnern, die man nie vergisst. Einer zum Beispiel war: ‚Jetzt hab ich 88 Jahre alt werden müssen, damit ich einmal eine Sau auf einem Griller seh.‘ Das war, als wir mal ein Sommerfest veranstaltet haben. Das ist aber irgendwie so eine Aussage, die man nicht vergisst. Also insgesamt nehme ich viele schöne Momente mit. “

 

Sie durften in den letzten sieben Jahren bestimmt viele neue BewohnerInnen begrüßen, mussten zugleich aber auch viele liebgewonnene Menschen verabschieden. Wie schafft man das?

Schmidt: „Teil unserer Philosophie ist es ja, dass der Bewohner nicht nur Bewohner ist, solange er bei uns ist, sondern auch noch, nachdem er verstorben ist. Irgendjemand von unserem Team geht auch immer mit zum Begräbnis. Natürlich sind das keine schönen Momente, aber Momente, die eben auch zum Job dazugehören. Man muss leidensfähig und engagiert sein, mit viel Empathie reingehen, aber trotzdem einen professionellen Abstand wahren können. Es gibt die Möglichkeit der Supervision, es gibt Gespräche, es gibt das Ausreden im Team und das ist glaube ich das Allerwichtigste, dass man immer wieder über die Belastungen spricht und versucht, sich gegenseitig zu stützen und sich auszutauschen. Dann erträgt man das auch etwas leichter.“

 

Sie sind ja eigentlich Lehrer für Deutsch und Geschichte. Wie kamen Sie überhaupt zu dieser Arbeit?

Schmidt: „Lehrer ist ja auch ein Sozialberuf. Als ich vor mehr als 30 Jahren von Deutschland hierhergekommen bin, habe ich keinen Job als Lehrer gefunden. Ich hab mich dann im Behindertenbereich engagiert, war 15 Jahre lang bei der Lebenshilfe und dann hab ich mir mit knapp 50 gedacht, dass ich noch etwas Neues ausprobieren muss. Ich bin dann ein Jahr in der Privatwirtschaft in der Sozial- und Lebensberatung tätig gewesen und dann hab ich die Anzeige der Volkshilfe für die Hausleitung in Deutschlandsberg gesehen, hab mich beworben und den Job glücklicherweise auch erhalten. Diesen Schritt hab ich wirklich nie bereut. Wenn ich etwas mache, mache ich es entweder richtig, oder ich lasse die Finger davon. Entweder mit 100 Prozent oder gar nicht.“

 

Das Volkshilfe-Seniorenzentrum in Wagna bietet 72 Betten und ist immer voll belegt. Das bedeutet bestimmt viel Arbeit und auch organisatorischen Aufwand?

Schmidt: „Mein Job ist der Überblicksjob. Ich muss meine Finger überall im Spiel haben, ich muss wissen, wer wo auftaucht und geht, Dienstpläne schreiben, ich habe die ganzen Finanzen zu verantworten, das Bestellwesen und vieles mehr. Ich bin auch verantwortlich für die ganzen Kontrollen, die wir im Haus haben und das sind nicht wenige. Von der Patientenombudschaft über die OPCAT, Lebensmittelkontrolle, Arbeitsmediziner, die BH kontrolliert regelmäßig – das ist ja auch gut so. Sie sollen sich überzeugen von dem, was wir machen. Man ist nicht immer perfekt, weil man ja auch betriebsblind wird. Deshalb sehe ich die Kontrollen nicht als Kontrollen an, sondern als Unterstützung, um noch besser zu werden.“

 

Welche Eigenschaften braucht man als Hausleiter?

Schmidt: „Viel Geduld, Menschenkenntnis, ein Verständnis für Zahlen, ein breites Kreuz, Leidensfähigkeit und eine gewisse Abgeklärtheit, eine gewisse innere Ruhe, um nicht immer gleich zu explodieren. Gelegenheit gäbe es genug. Aber man ist einfach Vorbild und das ist denke ich eine ganz wichtige Voraussetzung für den Job. Man muss einfach sich selbst darstellen, man muss authentisch sein, man muss pünktlich sein, man muss verlässlich sein, man muss zu dem stehen, was man gesagt hat, weil nur dann bekommt man das Team in den Griff. Das ist es glaube ich, was notwendig ist, um den Job gut zu machen. Beim Rest wird man ja auch unterstützt von der Zentrale. Was ich meiner Nachfolgerin ganz sicher ans Herz legen will: sich nicht ins Büro zurückzuziehen, sondern immer wieder draußen zu sein bei den Bewohnern und den Mitarbeitern und immer wieder horchen, wie es ihnen geht und wo der Schuh drückt. Ich bin sicher drei-, viermal am Tag im ganzen Haus unterwegs und frage, wie es den Leuten geht, ob ihnen etwas fehlt und plaudere mit ihnen über das Wetter. Einfach nur, um gute Stimmung zu machen und damit die Leute sehen, dass sich der Chef kümmert. Das sind Dinge, die man einfach spüren muss. Es ist kein Tag planbar, kein Tag wie der andere, das ist auch das Schöne an dem Job.“

 

Die letzten zwei Jahre waren von der Corona-Pandemie und vielen Einschränkungen geprägt. Wie sind Sie mit der Situation umgegangen?

Schmidt: „Hätt ich nicht mehr gebraucht, so kurz vor der Pension (lacht). Aber man wächst ja an der Herausforderung. Man hat ja an keinem Tag gewusst, was der nächste Tag bringt. Das war auch jetzt bei der vierten Welle so, da haben wir innerhalb von zwei Tagen vier verschiedene Anordnungen bekommen und die sind dann umzusetzen. Das war natürlich eine etwas anstrengende Geschichte, aber auch hier hat sich gezeigt: wenn man ein gutes und motiviertes Team hinter sich hat, auf das man sich verlassen kann, klappt das schon ganz gut. Es waren alle da und haben mitgeholfen. Und das ist auch ein Grund, weswegen ich schon sehr stolz darauf bin, dass ich das Haus acht Jahre führen durfte. “

 

Wie ging es den BewohnerInnen damit?

Schmidt: „Durch den wunderschönen großen Garten, den wir haben, hatten wir ja die Möglichkeit, Besuche draußen zuzulassen. Ganz zu Beginn der Corona-Zeit haben wir die Zaunbesuche gemacht, wo wir Besuche mit zwei Metern Abstand abgewickelt haben. Also wir haben nie keinen Kontakt gehabt, aber natürlich immer nur eingeschränkt und ohne Körperkontakt – natürlich eine ganz schwierige Situation. Da fällt mir noch ein Sager ein, den ich nie vergessen werde: ‚Wir haben den Krieg überstanden, da werden wir Corona auch noch überstehen.‘ Da merkt man, dass die Leute so in sich selbst ruhen, das ist unglaublich faszinierend. Die Corona-Zeit hat uns aber auch zur Einsicht gebracht, dass man manche Abläufe, die wir früher für gut befunden haben und durch Corona nicht mehr machen durften, auch künftig nicht wieder so einführen werden. Ich war zum Beispiel ein Vertreter von keinen festgelegten Besuchszeiten, jeder kann von der Früh bis am Abend kommen, wann er möchte. Es hat sich jetzt aber gezeigt, dass die Bewohner beim Mittagessen zum Beispiel viel ruhiger waren, weil da auch kein Fremder daneben gesessen ist und geschaut hat, wer wie viel isst. Und da hat mir ein Bewohner dann gesagt: ‚Möchten Sie, dass Ihnen ein Fremder dabei zuschaut, wenn Sie sich anpatzen?‘ Das ist auch so ein Satz, den man nie vergisst und der einen zum Nachdenken zwingt. Wir werden sicher keine Besuche mehr während der Essenszeiten zulassen. Das ist die logische Konsequenz. Es sind so viele Kleinigkeiten, die man in der Krise trotzdem noch als positiv sehen muss. “

 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Volkshilfe-Seniorenzentrums Wagna?

Schmidt: „Ich wünsche mir, dass die Zusammenarbeit mit der Gemeinde weiterhin so gut funktioniert. Ich hab mit Bürgermeister Peter Stradner immer ein gutes Verhältnis gepflegt. Wenn man was gebraucht hat, war er da. Er ist ein Mensch mit ganz kurzen Entscheidungswegen. Wenn ich ihn von etwas überzeugen konnte, hat er immer schnell reagiert und das hat sehr gut gepasst. Ich wünsch mir auch eine weiterhin gute Zusammenarbeit mit Dr. Dominik Augustin. Das sind so die Stützen in der Gemeinde, die uns und den Bewohnern zugutekommen. Es geht ja drum, dass es den Bewohnern gut geht. Und überhaupt besteht ein wunderbares Arbeitsklima mit der Gemeinde. Wenn wir etwas brauchen, bekommen wir immer Hilfe. Ich hoffe, dass das auch weiterhin so bleibt.“