Historische Bildung: Ich bin dann mal weg!

Dieser Ausspruch hat Kultstatus erlangt. Er steht symbolisch für den Wunsch einer bewussten Unterbrechung der täglichen Routine um Neues zu entdecken und zu erleben. Aber auch für ein Innehalten um Zeit zu gewinnen und sich selbst wichtige Fragen zu stellen und passende Antworten darauf zu finden. Oft gelingt das beim Wandern besonders gut.

Als der Schauspieler und Kabarettist Hape Kerkeling bei einem seiner vielen Fernseh- und Bühnenauftritte zusammenbricht rät ihm sein Arzt, sich einige Monate zu schonen. Auf Anraten seiner gläubigen Großmutter macht er sich zu Fuß auf eine Wander- bzw. Pilgerreise auf dem Jakobsweg. Sein Buch Ich bin dann mal weg (2006) und der gleichnamige Film (2015) lösten einen Boom aus: Wandern und Pilgern wurde wieder modern.

Will man heuer in den kommenden Urlaubstagen überteuerten Quartieren, überfüllten Zügen und ausfallenden Flugverbindungen zuverlässig aus dem Wege gehen, sollte man sich die leicht touristisch umgestaltete Verszeile Goethes zu Herzen nehmen: Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!

Und tatsächlich muss man in zahllosen Prospekten oder im Internet wirklich nicht lange suchen, um zu erkennen, dass wir in der Südsteiermark von wahren Wanderparadiesen umgeben sind. Es gibt praktisch nichts, was es nicht gibt.

Fernwanderwege, Bergwanderwege, Flusswanderwege, Themen-wanderwege, Radwanderwege, leicht, mittel, schwer, für Jung und Alt. Sie sind fast immer recht unkompliziert zu erreichen und bieten Kost und Logis zu günstigen Preisen. Kaum etwas ist so detailgenau beschrieben wie diese Wege und ihre vorgeschlagenen Stationen. Eine vernünftige Vorbereitung auf die gewählte Tour sollte daher keine besonderen Probleme bereiten. Die Auswahl ist riesig und ich möchte eigentlich keine Empfehlung für die eine oder andere abgeben. Alle haben ihre besonderen Reize und ihre kleinen Kostbarkeiten am Wegrand, die man jeweils für sich selbst entdecken sollte. Ich gebe aber zu, dass mich nicht nur die landschaftliche Schönheit einer Route sondern auch die anzutreffende kulturelle und gesellschaftliche Vielfalt immer besonders anzieht und interessiert. Wege, die an Grenzen entlangführen oder diese überschreiten, bieten sich da besonders an. Deshalb seien mir an dieser Stelle nun doch zwei Vorschläge erlaubt.

So etwa der Südalpenweg 03/Grenzpanoramaweg. Dabei handelt es sich um einen internationalen Weitwanderweg der von Bad Radkersburg im Dreiländereck Österreich-Slowenien-Ungarn bis nach Silian in Italien führt. In der Marktgemeinde Eibiswald findet man, sehr passend, das Österreichische Weitwandermuseum. Es erzählt von der Geschichte des Weitwanderns und vom Bildhauer Carl Hermann, der vielfach als Vater des Weitwanderns bezeichnet wird. Telefonische Voranmeldung ist für den Besuch des Museums erforderlich.

Überschreiten wir die Grenze zum Nachbarn Slowenien, werden wir von einer Vielzahl von bestens beschriebenen Wanderrouten überrascht. Dort treffen wir auf die Alpen, das Mittelmeer, den Karst und die Pannonische Tiefebene. Mehr geht an landschaftlicher Vielfalt schon fast nicht mehr.

Mein zweiter Weitwanderweg-Tipp gilt besonders den zeitgeschichtlich Interessierten: Der Weg der Kuriere und Melder. Er umfasst 88 Stationen und führt über mehr als 1000 km durch das schöne Slowenien. Der Einstieg kann in der Nähe von Murska Sobota erfolgen, im kleinen Ort Gančani. Am Ende des Weges finden wir uns im istrianischen Karst wieder, bei der Hütte von Tumova Koča na Slavniku auf etwa 1000m Seehöhe, unweit der Küstenstädte Izola, Koper und Triest. Dieser Weg war für den slowenischen Widerstands- und Befreiungskampf von 1941 bis 1945 gegen die Besatzer unverzichtbar. Er ist mit blau-gelben Punkten und Wegweisern markiert. Zahlreiche Stationen zeigen Einrichtungen des Widerstandskampfes. Das noch erhaltene Hospital der Partisanen und die Druckerei, beide in tiefen Felsschluchten versteckt, habe ich unlängst besucht. Denkmäler und Grabstätten der im Kampf gefallenen oder ermordeten Männer und Frauen säumen den Weg. Beeindruckend und traurig zugleich, welch große Opfer im Kampf gegen die Auslöschung der slowenischen Identität erbracht wurden und welche er gefordert hat. Im lebensfrohen Kontrast dazu wird man beim Gehen von herrlichen Landschaften und einer noch sehr unberührten Flora und Fauna begleitet. Aber Achtung: der höchste Punkt liegt auf immerhin 1796m Seehöhe. Also bei der Etappenplanung nicht die eigenen körperlichen und psychischen Fähigkeiten überschätzen.

Beenden wir unsere kleine Vorausschau auf freie Urlaubswandertage mit dem zweiten Teil von Goethe´s Vierzeiler: Lerne nur das Glück ergreifen, denn das Glück ist immer da. Ganz in diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern schöne und erholsame Urlaubstage!

 

Zum Autor: Dr. Joachim Gruber ist pädagogischer Leiter des Bildungshauses Retzhof und Lektor an der Karl-Franzens-Universität Graz zum Fachbereich Management in Bildungsorganisationen.