Grün statt Grau

Eine Fahrt ins Grüne am Wochenende ist für viele Menschen ein entspannender Ausgleich zum Alltagsleben. Könnte man durch professionelle Begrünungen von Flächen und Objekten nicht auch schon in urbanen Lebensräumen mehr Wohlbefinden herstellen und damit die Lebensqualität steigern? Der Retzhof ging diesem Thema im Rahmen einer mobilen Bildungsveranstaltung nach.

Retzhof-Referent Architekt DI Bernhard Voura beantwortete im Rahmen einer sportlichen Radtour zu ausgewählten begrünten Objekten in Graz anhand von praktischen Beispielen die zahlreichen und mannigfaltigen Fragen der Teilnehmenden.

Neben schick begrünten Hausfassaden von ohnehin trendigen Gebäuden zeigte er bei dieser Tour nachdrücklich auf, dass auch - und vor allem (!) - Industriehallen und Gewerbezonen ideale Objekte und Flächen für Begrünungen bieten können. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, in solchen Maßnahmen nur den ästhetischen Wert zu suchen und zu sehen. Natürlich tut dem Auge eine begrünte Fassade wohler als eine nackte und kahle Betonwand.

Der eigentliche und maßgebliche Nutzen liegt aber im klimatischen Bereich. Witterungsextreme werden auch in Österreich in den nächsten Jahrzehnten stark zunehmen. Langanhaltende Hitzeperioden, Trockenheit, Starkregen mit lokalen Überflutungen werden die Folgen davon sein. Immerhin wird von verschiedenen Wissenschaften eine Verdoppelung der Hitzetage (ab 30° C) in den nächsten 100 Jahren und damit eine Verdreifachung des Kühlbedarfs in den nächsten 50 Jahren prognostiziert. Der Green Market Report Austria spricht davon, dass Europas Metropolen schon in absehbarer Zeit mit drastischen Temperaturanstiegen konfrontiert sein werden. Madrid wird sich dann hinsichtlich jährlicher Durchschnittstemperatur in das marokkanische Fez verwandeln, Wien wird zu Skopje, London zu Barcelona, Stockholm zu Budapest und Moskau zu Sofia. Nicht umsonst findet man schon jetzt in vielen dieser Städte an mehreren Stellen fix installierte Sprühanlagen. Was heute noch eher der Belustigung dient, dürfte in den Städten und in sonstigen Ballungsräumen bald bittere Notwendigkeit werden. Denn Beton, Asphalt und Glas heizen urbane Gebiete unweigerlich sehr stark auf und geben die Hitze bis tief in die Nacht wieder ab. Nun kann man darüber entsetzt oder traurig sein oder es einfach nicht glauben wollen und nichts zu tun. Wie aber schon Albert Einstein so treffend bemerkte, ist es der reinste Wahnsinn zu glauben, dass sich alles von selber ohne unser Zutun regeln wird, damit es uns besser geht. Klug wäre es vielmehr, sich schon jetzt mit den zahlreichen Möglichkeiten auseinander zu setzen, welche Begrünungen sich anbieten um das Mikroklima in den Städten und Gemeinden maßgeblich zu verbessern.

Was wäre also zu tun? Pflanzen mit ihren Blattoberflächen sind die naturnahen Klimaanlagen für draußen, so Voura. Durch die Photosynthese produzieren sie nicht nur Sauerstoff, sondern verdampfen auch jede Menge Wasser. Dabei entziehen sie der Umgebung Energie, wodurch der gewünschte Kühlungseffekt entsteht. Auch in Hinblick auf unseren Energieverbrauch könnten wir zur teilweisen Lösung des Problems ganz einfach auf die Kraft und Wirksamkeit der Pflanzen vertrauen: Etwa 40% des weltweiten Energieverbrauchs werden für Gebäude benötigt, davon 70% für die Kühlung oder Beheizung. Blätter von Pflanzen sorgen im Sommer durch ihre schattenspendende Wirkung für Kühlung. Im Winter fallen sie ab und geben der Sonne die Flächen – z.B. in Kombination mit Solar- und Photovoltaikanlagen - zur Erwärmung wieder frei. Flächige dauerhafte Begrünungen am Dach und an Fassaden wirken ohnehin ganzjährig als Gebäudedämmung gegen Hitze und Kälte. Eine intensive Dachbegrünung ist wie ein vollwertiger Garten oder kleiner Park und sehr bald auch Habitat für zahlreiche Insektenarten. Bauwerksbegrünungen sind also wahre Multitalente, denn auch über ihre Wirksamkeit als Lärm- und Staubschutz ließe sich noch sehr vieles berichten.

Professionelle Beratung sollte man sich jedoch jedenfalls einholen, denn Begrünungen sind eine sehr schöne und wichtige Sache, braucht aber auch ein gewisses Maß an Wissen über Pflanzen und Materialien, damit das Vorhaben auch nachhaltig gelingt und Freude bereitet.

 

Was Begrünungen können finden Sie zusammengefasst auf www.gruenstattgrau.at.

 

Zum Autor: Dr. Joachim Gruber ist pädagogischer Leiter des Bildungshauses Retzhof und Lektor an der Karl-Franzens-Universität Graz zum Fachbereich Management in Bildungsorganisationen.