Seit 10 Jahren Bürgermeister: „Ich bin unglaublich dankbar, dass ich das machen darf“

Peter Stradner ist seit mittlerweile 10 Jahren als Bürgermeister der Marktgemeinde Wagna aktiv. Am 4. April 2013 wurde er erstmals angelobt. Anlässlich seines Jubiläums haben wir ihn zum Interview gebeten.

Du feierst im April dein 10-jähriges BGM-Jubiläum – mit welchen Emotionen?

Bgm. Peter Stradner: „Mit Freude, mit Dankbarkeit und mit viel Motivation für die Zukunft.“

 

Hättest du dir bei deinem Amtsantritt 2013 gedacht, dass du so lange im Amt sein wirst?

Stradner: „Mein Amtsantritt 2013 ist für mich damals sehr überraschend gekommen. Ich wollte damals eigentlich nicht Bürgermeister werden. Mein Vorgänger hat seine Funktion aber zurückgelegt und meine Fraktion hat mich gebeten, das zu machen. Insofern war ich eigentlich relativ überrascht und bin ins kalte Wasser gesprungen, ohne darüber nachzudenken, wie lange oder wie kurz man sowas macht. Also jein, ich habe eigentlich gar nicht darüber nachgedacht.“

 

Könntest du deinen politischen Laufgang bitte kurz skizzieren?

Ich war zuerst in der Jungen Generation der SPÖ, dann habe ich in der Gemeinde zu lernen begonnen und bin dann irgendwann zu den Fraktionssitzungen eingeladen worden. Ich hab‘ damals die Öffentlichkeitsarbeit für die Fraktion gemacht. Die hat da noch anders ausgesehen, ohne Facebook und ohne Soziale Medien. Es gab noch eine Fraktionszeitung, die regelmäßig erschienen ist und die wir gemacht haben mit relativ einfachen Mitteln. Irgendwann bin ich dann eben in die Fraktion gekommen und danach zum Gemeinderat angelobt worden und bin jetzt seit 2005 Gemeinderat. 2013 bin ich eben irgendwie Bürgermeister geworden und davor war ich eine Zeit lang Vizebürgermeister.

 

In zehn Jahren als BGM hast du bestimmt vieles – Positives aber wahrscheinlich auch weniger Schönes – erlebt. Was waren die prägendsten Momente für dich?

Stradner: „Im positiven Sinn sind die prägendsten Momente die, wenn man etwas vorantreiben kann und man wirklich etwas weiterbringt, wenn man etwas Neues probiert hat und das gut ankommt. Wir haben versucht das quer durch die Materie Gemeinde zu machen – das beginnt beim Sicherheitswesen, bei der Feuerwehr, das geht über die Kinderbetreuung und die Schule, bis zur Betreuung der älteren Menschen. Wir schauen, dass wir Familien etwas bieten, wir sind Vorreiter in vielen Bereichen der Kultur. Also die positiven Momente sind einfach, wenn wir sehen, dass wir etwas weiterbringen und etwas gut angenommen wird und das auch honoriert wird. Natürlich hat es auch schwierige Momente gegeben. 2015 war zum Beispiel ein schwieriges Jahr. Das Jahr, in dem plötzlich sehr viele Menschen an der Grenze nur ein paar Kilometer von uns entfernt gestanden sind. Natürlich auch die Covid-Pandemie und die Bewältigung der Pandemie mit all den Aufgaben, die wir als Gemeinde wahrgenommen haben, war durchaus schwierig. Aber aus all diesen schwierigen Momenten haben wir alle sehr viel lernen können.“

 

Als Bürgermeister muss man immer präsent sein, viele Termine wahrnehmen, Veranstaltungen besuchen – oft auch am Wochenende. Ist das nicht manchmal mühsam?

Stradner: „Natürlich ist es manchmal anstrengend, meistens macht es aber Spaß. Für mich war das eigentlich nie so eine große Umstellung. Wenn man in der Gemeinde aufwächst und in der Gemeinde die berufliche Ausbildung macht, dann weiß man, was auf einen zukommt. Das war vorher schon immer normal für mich, dass ich einfach sage, ich bin 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, 52 Wochen im Jahr erreichbar – wenige Ausnahmen gibt es natürlich, wenn man einmal weg ist. Aber das war eigentlich immer schon etwas sehr Normales für mich und somit keine große Umstellung.“

 

Gab es je einen Moment, an dem du alles hinwerfen wolltest?

Stradner: „Nein. Es ist einfach eine Herausforderung, die mir gestellt ist und die ich gerne annehme. Es gibt natürlich Momente, wo man darüber nachdenkt: 'Wenn ich damals nicht ja gesagt hätte, wo wäre ich dann heute?'. Logisch. Aber den Moment, an dem ich auf alles pfeifen wollte, den hab ich zum Glück noch nicht gehabt. Ich habe von einem meiner Vorgänger, dem Sepp Baumann, den prägenden Satz im Kopf: 'Wenn ich irgendwann einmal ernsthaft daran denke aufzuhören, dann hör ich auf.' Weil ab diesem Moment mach´ ich es nicht mehr so, wie ich es machen würde, wenn ich mit voller Motivation dahinter bin. Aber ich hab´ diesen Moment wie gesagt Gott sei Dank noch nicht gehabt.

 

Wo wärst du heute, wenn du damals nicht ja gesagt hättest?

Das weiß ich nicht. Darüber mach ich mir vielleicht in dem Moment, wenn es so weit ist, Gedanken. Aber jetzt ist das überhaupt kein Thema für mich.

 

Woher nimmst du die Kraft bzw. Motivation dafür?

Stradner: „Zum einen habe ich ein wunderbares Team, mit dem ich in all den Bereichen, die uns berühren, zusammenarbeiten kann. Das beginnt im Gemeindeamt, das geht über den Bauhof, die Kindergärten, die Volksschule bis hin zu unserem Servicepersonal. Wir haben wirklich fantastische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die so viel Großartiges leisten, das einfach so selbstverständlich passiert, dass sehr viele Bürgerinnen und Bürger das gar nicht so mitbekommen. Aber die machen fantastische Arbeit. Zum anderen nehm‘ ich die Motivation natürlich aus den Reaktionen, die man bekommt. Wenn man sieht, dass eine Veranstaltung ausverkauft ist, wenn man sieht, beim Kasperltheater lachen die Kinder und haben eine Freude, wenn man in den Kindergarten kommt und sieht, welch tolle Arbeit für unsere Kleinsten geleistet wird, dann ist das eine Riesenmotivation und dann ist das genau der Grund, warum man das machen will.“

 

Du bist bei deinem Team und der Bevölkerung sehr beliebt und anderen Gemeinden bzw. Ortschefs oft einen Schritt voraus. Wagna gilt in vielen Belangen als „Vorreiter“. Wie gelingt dir das? 

Stradner: „Keine Ahnung. Ich glaube vielleicht durch das ehrliche ‚Ja und Nein‘-Sagen. Ich hab´ es mir angewöhnt, dass ich, wenn etwas möglich ist, von Haus aus Ja sage. Aber ich sag´ auch ehrlich Nein. Man wird von mir überhaupt nie den Satz ‚schauen wir einmal‘ hören. Ich glaube das bringt relativ viel, auch wenn man in dem Moment, wo man einmal Nein sagt, vielleicht mehr erklären muss und erklären muss, warum das vielleicht nicht geht und warum das vielleicht nicht möglich ist. Aber keine Ahnung, ich bin jedenfalls froh und dankbar, dass es so ist und dass man mich nicht mit Tomaten bewirft. Und der Rest ist einfach so, wie er ist.“

 

Strebt man bei einem solchen Erfolg nicht nach mehr? Hast du z.B. nie überlegt, in die Landes- oder Bundespolitik zu wechseln?

Stradner: „Nein. Ich glaub´ in der Politik ist es enorm wichtig, dass man nach überhaupt Nichts strebt. Wir sehen in vielen Entwicklungen in unserem Land, gerade jetzt im Moment, dass wenn jemand unbedingt etwas werden will, das meistens nichts bringt und eher böses Blut und meistens Enttäuschung schafft. Ich glaube in der Politik ist es wichtig, dass man gebeten wird, etwas zu machen, weil dann hat man den Rückhalt der eigenen Leute und den Rückhalt aus der Bevölkerung. Aber nein, ich habe überhaupt kein Bedürfnis mich irgendwie politisch zu verändern – weder in die eine noch in die andere Richtung. Es macht mir unglaublich viel Spaß, was ich mache. Ich bin unglaublich dankbar, dass ich das machen darf. “

 

Hast du ein politisches Vorbild?

Stradner: „Selbstverständlich, auf Kommunalebene auf jeden Fall den Franz Trampusch. Ich hab‘ von ihm sehr viel lernen dürfen und ich bin all meinen Vorgängern, mit denen ich zusammenarbeiten durfte, sehr dankbar. Ich hab‘ von allen etwas gelernt. Der Franz Trampusch ist eine prägende Persönlichkeit, auch der Karl Deller ist eine prägende Persönlichkeit, die mir einfach Chancen gegeben haben mich als junger Mensch zu entwickeln. Auch ein Sepp Baumann, der mir immer wieder mit Rat und Tat zu Seite gestanden hat, zählt zu den Vorbildern auf der kommunalen Ebene. Und natürlich Bruno Kreisky. Als Sozialdemokrat gibt es wahrscheinlich niemanden, der Bruno Kreisky nicht irgendwie als Motivation oder als Ankerpunkt sieht. Das sind so die wichtigsten Persönlichkeiten.“

 

Die nächsten Gemeinderatswahlen stehen 2025 am Programm. Bei der letzten Wahl 2020 hast du knapp 73 % erreicht. Hast du dir ein Ziel für 2025 gesetzt?

Stradner: „Nein, hab´ ich nicht. Ich habe das auch nicht vor einer der anderen Wahlen gemacht. Wir werden einfach bis zu dem Zeitpunkt der Wahl versuchen, unsere Arbeit so gut wie möglich fortzusetzen und der Rest ergibt sich dann am Tag der Wahl.“

 

Du bist SPÖ-Mitglied, agierst aber als Volksbürgermeister ohne Mandat. Warum?

Stradner: „Weil es einfach wichtig ist als Bürgermeister unabhängig zu sein, weil mir persönlich die Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen im Gemeinderat enorm wichtig ist. Ich kenn´ die Arbeit im Gemeinderat seit Ende der 1990er Jahre, also schon unglaublich lange. Aber wir haben es in den letzten Jahren geschafft, eine Gesprächskultur im Gemeinderat zu schaffen, die es davor mit Sicherheit nie gegeben hat. Wir haben uns einfach angewöhnt, dass man Dinge bespricht, bevor sie zu brennen beginnen. Und das tut gut. Es gibt ein riesiges gegenseitiges Vertrauen innerhalb des Gemeinderates zwischen allen Fraktionen. Und diese Arbeit lohnt sich. Das funktioniert nur, wenn man zusammenhält und sich vertrauen kann. Das sage ich im Gemeinderat auch immer wieder. Ich darf als Volksbürgermeister ohne Mandat im Gemeinderat ja nicht mitstimmen, ich habe kein Stimmrecht und darf nur die Sitzung leiten. Aber ich sage immer, dass ich z.B. niemals ein Budget zur Beschlussvorlage bringen würde, dem ich selbst nicht mit gutem Gewissen zustimmen könnte. Das gleiche gilt für einen Rechnungsabschluss, das gleiche gilt eigentlich für jedes einzelne Projekt. Ich halte nichts von irgendwelchen Reinleger-Geschichten. Für mich ist Transparenz wichtig, für mich ist Vertrauen wichtig und für mich ist es auch wichtig, dass wir alle nach einer Gemeinderatssitzung noch zusammenstehen, miteinander reden und miteinander Spaß haben können. Und vor allem wir uns danach auch gegenseitig anschauen können und uns auch selbst in den Spiegel schauen können. Das ist so mein persönliches Credo. Ich bin also deswegen Volksbürgermeister, weil ich der Meinung bin, dass eine Unabhängigkeit dieses Amtes enorm wichtig ist. Weil es Vertrauen in der Bevölkerung schafft, aber auch Vertrauen im politischen Miteinander.“

 

Was sind die Pläne für die nächsten 10 Jahre?

Zum einen ist es, dass wir versuchen werden, nachhaltig Arbeit zu schaffen in unserer Gemeinde. Wir sind eine wachsende Region. Wir haben allein in Wagna über 2000 Menschen, die tagtäglich aus der Gemeinde auspendeln, um zu arbeiten. Da werden wir einiges daransetzen, dass wir versuchen, den einen oder anderen Betrieb anzusiedeln, um den Leuten, die hier wohnen, auch das Arbeiten in der Nähe zu ermöglichen. Zum anderen sind wir gerade dabei das örtliche Leitbild und den Flächenwidmungsplan zu überarbeiten, wo wir jetzt die Instrumente, die uns der Gesetzgeber zur Verfügung stellt, voll ausnutzen werden, um qualitativ hochwertiges Wohnen und Leben in unserer Gemeinde zu ermöglichen. Das heißt das Wachstum wird in Zukunft nicht so schnell vorangehen, wie es vielleicht in der Vergangenheit der Fall war. Wir werden ganz stark Bedacht darauf nehmen, dass in Gegenden, wo nur Einfamilienhäuser stehen, in Zukunft auch nur Ein- oder Zweifamilienhäuser stehen und keine Mega-Wohnbauten in der Nachverdichtung kommen, weil sich das einfach nicht verträgt. Weil es auch darum geht, so gut wie möglich das Bild der Gemeinde – und ich habe den Eindruck, dass unsere Bürgerinnen und Bürger sich wohlfühlen – zu erhalten. Weil dieser Wohlfühlaspekt in einer Gemeinde sehr wichtig ist. Wir werden versuchen, ein bisschen die Gemeinschaft Gemeinde in den Mittelpunkt zu rücken, weil wir wissen, dass viele Menschen neu zugezogen sind bei uns, die allerdings zurzeit nur da wohnen, aber noch nicht 'Gemeinde spüren'. Dieses Gefühl der Gemeinschaft in der Gemeinde wollen wir vorantreiben und hier einige Akzente setzen, gemeinsam mit unseren Vereinen und Organisationen, um unser Gemeinschaftsleben und die Kultur breiter in verschiedenen Bereichen zu fächern. Das wird eine spannende Geschichte.

 

Freust die dich also auf die nächsten 10 Jahre?

Absolut.

 

Denkst du, dass du als Bürgermeister in Pension gehen wirst?

Mein Pensionsantrittsalter ist, wenn man der PVA-Homepage glaubt, der 1. September 2047. Das ist noch recht lange. Ich habe keine Ahnung, ob ich dort tatsächlich in Pension gehen kann und werde. Wenn ich dann gehen kann, dann werden wir weitersehen. Aber: Solange ich die Unterstützung aus der Bevölkerung und meinem Team habe, kann ich mir vorstellen noch lange weiterzuarbeiten.